grüne berge, reisfelder und lagune - iran?

Reisebericht zur Iranreise "nordwest & kaspisches meer"

von Andrea Wehmeyer

 

andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 1Warum in den Iran reisen?

Als ich meinen Bekannten erzählte, ich würde eine Nordiran-Reise machen, war die häufigste Reaktion: "Ist das nicht zu gefährlich?"

"Warum?"

"Nun, ... wegen der Terroristen oder du wirst entführt und landest in einem Harem", war die vage Vorstellung.

Also einen Harem (den Frauenbereich in einem Haus) gibt es noch in Saudi-Arabien, aber im Iran ist mir noch keiner begegnet. Nur noch sehr wenige Männer sind mit mehr als einer Frau verheiratet. andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 2Und von den Terroristen des 11.Septembers kam niemand aus dem Iran und von einem Anschlag auf Touristen in diesem Land habe ich seit 30 Jahren nichts mehr gehört. Die größte Gefahr dürfte dort ein Erdbeben sein.

Da ich 2003 meine erste Iranreise gemacht hatte, konnte ich meine Bekannten einigermaßen beruhigen, aber wirklich geglaubt hat mir wohl niemand.

Haben Sie vielleicht auch das Buch "Nicht ohne meine Tochter" gelesen? Die meisten Deutschen beziehen daraus ihr Iran-Bild und denken nun, dass die Zustände dort immer noch wie vor 25 Jahren sind. Doch seitdem hat sich viel geändert.andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 3

Die Macht in dieser Islamischen Republik hat zwar immer noch der Revolutionsführer Ayatollah Chamenei, der Nachfolger von Ayatollah Chomeini, und in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit könnte sich noch einiges verbessern, aber was zum Beispiel die Kleidervorschriften betrifft, hat sich die Situation langsam verändert.

Es stimmt nicht mehr, dass man auf der Straße von einem Sittenwächter angehalten wird, wenn das Kopftuch die Haare nicht ganz bedeckt. Als Frau darf man inzwischen ohne Socken laufen und muss keinen Tschador mehr tragen. Eine lange Hose, eine lange Bluse, die den Schritt bedeckt, und ein Kopftuch reichen aus. Die Männer dürfen sogar in kurzärmligen Hemden gehen.andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 4

Aber was gefällt mir am Iran so gut, dass ich ein zweites Mal dieses Land besuchen möchte?

Erstens: Die Menschen sind dort sehr freundlich. Kein anderes Volk ist so bemüht einen guten Eindruck bei den Touristen zu hinterlassen. Man wird förmlich auf Händen getragen. Wenn auf die Frage, wo man herkommt, die Antwort lautet: "Aus Deutschland", dann wird man wahrscheinlich hören: "Wir sind auch Arier." In der Tat stammen die Perser vom gleichen Indogermanischen Volksstamm ab, wie die Deutschen und haben nichts mit den Arabern gemein, außer der Religion und den arabischen Buchstaben.

Zweitens: Niemand bettelt und keiner geht einen aggressiv um ein Trinkgeld an. Diese Sitte kennen wir leider aus Nordafrika. Doch im Iran wird das Trinkgeld sogar oft abgelehnt, so wie es uns an einer öffentlichen Toilette widerfuhr, wo ein alter Herr von einem anderen Iraner beschimpft wurde, weil er es wagte von uns Geld anzunehmen. Gastfreundschaft ist das höchste Gut im Iran.

Drittens: Es gibt fast keine ausländischen Touristen. Ich bin auf dieser Reise keiner anderen deutschen Gruppe begegnet und wir konntenandrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 5 alle Besichtigungen in Ruhe auf uns wirken lassen ohne vorwärts geschoben zu werden. Können Sie sich Persepolis ohne Touristen vorstellen? Ein Traum für jeden Reisenden. 

Viertens: Der Reichtum an Kultur. Das erste große persische Reich wurde schon vor über 2500 Jahren unter Kyros II. gegründet und danach folgten weitere Großreiche wie z.B. das der Parther, der Sasaniden, die Eroberung durch die Araber und die Mongolen und schließlich die Saffawiden, die uns diese wunderbare Stadt Isfahan hinterlassen haben. Wer Isfahan gesehen hat, hat die halbe Welt gesehen, sagen die Iraner und ich zögere nicht zu behaupten, dass es die schönste Stadt der Welt ist. Auf jeden Fall befindet sich dort der größte, ganz umbaute Platz der Welt mit den zwei schönsten Moscheen, andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 6 dem Ali Qapu- und dem Vierzig-Säulen-Palast und drei wunderschönen Brücken, darunter die 33 Bogen-Brücke, die bei Nacht angestrahlt wird.

Fünftens: Ich liebe die Berge und davon hat der Iran wirklich reichlich zu bieten. Das ganze innere Hochland liegt auf 1000 bis 2000 m und der höchste Berg, der Damavand, ragt nördlich von Teheran 5671 m schneebedeckt in den Himmel. Der Süden ist heiß und trocken, im Norden findet man Reis- und Teeanbau und sogar im Juni noch angenehme Temperaturen. Zum Baden bietet sich im Winter der Persische Golf an, im Sommer das Kaspische Meer. Allerdings musste ich als Frau mit voller Bekleidung ins Wasser gehen, weil die Trennung in Frauen- und Männerbereich erst zur Saison durch ein großes Tuch ermöglicht wird.andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 7

Die beste Reisezeit ist das Frühjahr und der Spätherbst. Der Ramadan stellt kein Problem für Touristen dar, nur sollte man möglichst den Trauermonat Moharram meiden, in dem mit Prozessionen und Passionsspielen dem Märtyrertod Husseins 680 n.Chr. in Kerbala gedacht wird.

Besonders gut gefällt mir die Sitte der Picknicke. Man sitzt draußen im kühlen Schatten der Bäume oder auf einem Tacht (Bett) und genießt den schwarzen Tee, Käse, frisches Brot und andere Leckereien oder man raucht sogar eine Wasserpfeife. Ein Tacht ist ein Gestell in der Größe eines Doppelbetts, auf dem Perserteppiche liegen. Dort hockt man im Schneidersitz bzw. wechselt als Europäer oft die Position, andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 8weil wir es nicht gewohnt sind längere Zeit so zu sitzen. Man nimmt ein Stück Zucker in den Mund und schlürft den Tee darüber.

Leider bekommt man in Restaurants nicht die ganze Auswahl an guten Gerichten der persischen Küche angeboten. Die Speisekarte beschränkt sich ausschließlich auf Hack-, Lamm- und Hühnerkebab, evt. hat sich noch ein Fisch darauf verirrt. Für Vegetarier bleibt nur noch Salat, Sabzi (gemischte Kräuter mit Käse), Joghurt und Reis, der allerdings sehr gut ist und etwas für diese Eintönigkeit entschädigt. Wir bekamen also das beste Kebab von Bonab, das beste Kebab von Isfahan, das beste Kebab von ... usw.

andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 9Alkohol ist im Iran offiziell verboten. Darum bekommt man nur alkoholfreies Bier, welches häufig mit Apfel-, Pfirsich- oder Granatapfelgeschmack angereichert ist. Doch was ist im Iran schon unmöglich, obwohl es verboten ist?

Einmal traf ich dort einen deutschen Mann, der mit einer Perserin verheiratet ist. Weil ich neugierig war, musste ich ihn fragen, wie das denn möglich ist, er ein Christ und sie eine Muslima. Hinter vorgehaltener Hand bekam ich zur Antwort: "Ich habe einfach gesagt, ich wäre übergetreten."

 

Durch den Norden des Iran

andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 10Nachdem ich im Oktober 2003 eine große Rundrundreise durch den Süden des Iran gemacht hatte, war ich so begeistert von diesem Land, dass mein Wunsch war, auch noch den Norden zu sehen. Die erste Reise führte von Teheran nach Hamadan, Kermanshah, Ahwaz, Shiraz mit Persepolis und nach Kerman. Von dort haben wir einen Abstecher nach Bam gemacht, welches sieben Wochen später leider durch ein Erdbeben zerstört wurde und bei dem ca. 30000 Menschen ums Leben kamen. Danach ging es im Osten wieder gen Teheran über Yasd, Kashan, Isfahan und Qom.

Ich musste allerdings fünf Jahre warten bis ich zufällig im Internet auf die Seite von Herrn Abbas Shirazi traf, der eine Tour durch den Norden anbot.

andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 11 Wie zu erwarten war, fanden sich keine zehn Personen für diese Reise, doch Herr Shirazi war bereit auch für nur vier Leute die Organisation zu übernehmen. Wir bekamen noch einen Reiseleiter aus dem Iran dazu, einen Kleinbus, in dem wir viel Platz hatten, und einen sehr guten Busfahrer, was im Iran überlebenswichtig ist.

Es war für alle Beteiligten eine Pionierreise, da der Norden weitaus weniger bereist wird als der Süden. Zu Unrecht, muss ich sagen, denn diese Route hat genauso viele kulturelle und landschaftliche Höhepunkte wie die Standardtour.

Wir begannen wieder in Teheran, wo wir u.a. das Nationalmuseum, das Teppich- und das Juwelenmuseum besichtigten,welches den größten, geschliffenen Diamanten der Welt beherbergt. andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 12 Ein besonderes Erlebnis war die Einladung von Herrn Shirazis Schwester zum Abendessen. Dort dürften die meisten Vorurteile über das Leben im Iran gefallen sein. Ihre geschmackvoll eingerichtete Wohnung hätte sich genauso gut in Deutschland befinden können. Ich durfte mein Kopftuch ablegen und wir bestaunten die modische Kleidung der jungen, hübschen Frauen.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Qazwin und von dort hoch in die Berge durch eine traumhafte Landschaft bis zu der Assassinenfestung Alamut, von wo aus Hassan Sabah, der Führer der Ismaeliten, um 1090 n.Chr. die Sunniten mit ungeheurer Brutalität verfolgt hat. Daher stammt das französische Wort assassin (Mörder). andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 13

Schön kühl war es in dem Dörfchen Masuleh, welches an einem steilen Berghang gebaut wurde, sodass das Dach des einen Hauses der Eingang zum anderen ist. Für die Iraner ist es ein beliebtes Ausflugsziel in den heißen Sommermonaten, genauso wie die Orte am Kaspischen Meer. Wir übernachteten  in Bandar-e Ansali und unternahmen am nächsten Tag eine Motorbootfahrt auf der Süßwasserlagune. Danach hatte wir Gelegenheit im Meer zu baden. Das Wasser war angenehm warm, und obwohl ich als Frau mit voller Kleidung ins Wasser gehen musste, war es ein Erlebnis. Danach haben wir noch eine Weile bei Tee und Kebab im Schatten einer Hütte die Ruhe am Strand genossen. Wo gibt es bei uns so wenig Menschen am Meer, wenn das Wetter traumhaft und die Wassertemperatur ideal ist? andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 14

Danach ging es wieder hoch in die Berge nach Ardebil, wo wir das Mausoleum von Shaikh Safi ad-Din besichtigt haben. Im Schein der untergehenden Sonne leuchteten die blauen Kacheln besonders schön. Und wie überall kamen wir sofort mit Iranern und Iranerinnen ins Gespräch. Die Menschen dort sind sehr aufgeschlossen und freundlich gegenüber Touristen.

Von dort ging es am nächsten Tag weiter nach Tabriz, wo die Blaue Moschee auf dem Programm stand, die wie viele Heiligtümer liebevoll restauriert ist. Von dort haben wir dann einen längeren Abstecher in die nordwestlichste Ecke des Iran zu der Thaddäuskirche gemacht. Sie ist nach einem christlichen Märtyrer namens Thaddäus benannt, der um 35 n. Chr. die Bevölkerung dort missioniert hat. andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 15 Die Kirche liegt landschaftlich sehr reizvoll zwischen Bergen und blühenden Wiesen und man bekommt den Eindruck am Ende der Welt zu sein.

Die nächste Nacht haben wir in Kanduvan in einem urigen Hotel in Tuffsteinhöhlen verbracht. Erst 10 Zimmer bzw. Höhlen hat dieses neue Hotel, aber es soll in den nächsten Jahren noch erweitert werden. Meine Höhle hatte sogar einen großen Whirlpool, den ich leider aufgrund Zeitmangels nicht benutzen konnte.

Am anderen Morgen fuhren wir nach der Besichtigung des pittoresken Dorfs Kanduvan weiter zum Urmia-See, einem Salzsee ähnlich dem Toten Meer und von dort nach Takab. andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 16

In der Nähe von Zandjan gibt es erstens die Anlage Takht-e-Sulaiman, die früher ein Feuerheiligtum der Zoroastrier war und zweitens das Mausoleum von dem Mogulkaiser Oldjaitu, der dort 1316 beigesetzt wurde. Letzteres wird derzeit restauriert, bietet aber im Innern schon eine Fülle von Ornamenten, die man dort nicht erwartet hat. Die Kuppel dieses achteckigen Ziegelbaues hat einen Durchmesser von 25 Meter und die Gesamthöhe steht mit 51 Meter der Hagia Sophia kaum nach.

Schließlich erreichten wir Hamadan, die Stadt Ibn Sinas, bei uns als Avicenna bekannt, einer der bedeutendsten Mediziner, Astronomen und Mathematiker seiner Zeit (1037 gestorben). Sein modernes Grabmal wurde 1952 errichtet. Außerhalb der Stadt besuchten wir die Ali Sadr Höhle, andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 17 eine 14 km lange Tropfsteinhöhle, durch die man mit einem Boot über kristallklares Wasser fährt. Sie bietet eine angenehme Abkühlung gegenüber den hohen Temperaturen, die einen weiter im Süden erwarten. Vor der Höhle kaufte ich einem kleinen Jungen ein "Hafiz-Orakel" für ein paar Rial ab. Sein Wellensittich pickte aus einer Schachtel einen Zettel, der mir meine Zukunft vorhersagte. Hierzu werden gerne die Gedichte von Hafiz, dem großen Dichter, der sogar Goethe inspiriert hat, verwendet. Und ich muss gestehen, der Text war wirklich sehr passend.

Der Höhepunkt jeder Iran-Reise ist natürlich Isfahan. Diese wunderschöne Stadt mit dem größten Platz der Welt, die von keiner anderen übertroffen wird. Zu verdanken haben wir sie Shah Abbas I. andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 18 (um 1600) aus der Dynastie der Safawiden.

Zwei reich mit Mosaiken verzierte Moscheen und der Ali-Qapu-Palast liegen an diesem Platz, an welchen der große Basar anschließt, in dem man sich sofort verläuft, wenn man nicht aufpasst. Am anderen Ende kommt man an der Freitagsmoschee heraus. Ebenso gehören die drei Brücken über den Sayande Rud und der Vierzig-Säulen-Palast noch zu den Besonderheiten, die man gesehen haben muss. Leider wurden die Teehäuser an der 33-Bogen-Brücke alle geschlossen, weil die Sittenwächter unziemliches Verhalten zwischen Männern und Frauen beobachtet haben wollen. Schade, denn abends, wenn die Brücke angestrahlt wird, lädt sie zum Flanieren ein. Und dazu gehört eben ein Tee und eine Wasserpfeife mit Apfelaroma. andrea wehmeyer nordwest kaspischesmeer 20 Selbst als Nichtraucherin liebe ich diesen Duft.

Den letzten Tag in Teheran haben wir dann noch die beiden Schah-Paläste besucht, die in einem schönen Park im Norden Teherans liegen. In diesem Stadtteil leben die Reichen, die es sich leisten können dem Smog etwas zu entgehen und die kühlere Luft in den Bergen zu genießen. Wir saßen zum Mittagessen in einem wunderschönen Garten am Evindarake-Flusschen unter hohen Bäumen, und konnten so auf erholsame Art diese Reise ausklingen lassen.

 

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