neue stadtentwicklungsprojekte in teheran - teil 2


erschienen in: db - deutsche bauzeitung 06/2005


von: Abbas Shirazi und Christina Thum

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Pardis Technologie Park

 
Endogene Potenziale
Verwaltung und Gesellschaft im Großraum Teheran beginnen, ein Qualitätsbewusstsein in Bezug auf die gebaute Umwelt zu entwickeln. Die Gründe für mangelnde entwurfliche und bautechnische Qualität werden diskutiert und Lösungswege nicht nur erarbeitet sondern auch schrittweise in die Tat umgesetzt.  Dem Technologie-Park Pardis kommt dabei eine Vorreiterrolle zu. Durch gezielte staatliche Lenkung und ein ausgeklügeltes Wettbewerbswesen erhalten hier auch junge Architekten eine Chance, in Konkurrenz zu den großen etablierten Planungsfirmen ihr Können zu zeigen. Desweiteren wird auf Qualität von Entwurf und Ausführung großer Wert gelegt - auch hierzulande in Gewerbegebieten nicht häufig anzutreffen.


Entlastungsstrategie

1991 wurde vom Kabinett beschlossen, Entlastungsstandorte außerhalb der Stadtgrenzen Teherans zu bilden. Einer davon ist Pardis (dt.: Paradies), zwanzig Kilometer nordöstlich der Stadt. Inzwischen leben dort 15.000 Menschen; bis 2020 sollen es 200.000 sein. Ebenfalls 1991 beschloss das Kabinett, 800 Hektar in Pardis für Erziehung und Forschung zu entwickeln.

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Übersichtsplan des Grossraum Teheran

Ein wichtiger Baustein davon wurde später der zwanzig Hektar große "Pardis Technologie Park" - PTP. Auf siebzig Grundstücken soll ein Hightech-Standort entstehen, in dem Technologiefirmen Synergien nutzen können. Die Regierung, genauer das Technologie-Kooperationsbüros des Präsidenten, beauftragte hierfür 1999 das private "Entwicklungs- und Forschungszentrum" Tousee Kalbodi als Projektmanager mit Standortsuche, städtebaulichem Entwurf, Planung der Infrastruktur sowie Parzellierung. Im Jahr 2000 fiel die Standortentscheidung, für welche die Nähe zum Zentrum der neuen Stadt Pardis, zur im Bau befindlichen Universität und zu weiteren Industriegebieten maßgeblich war. Eine Autobahn befindet sich derzeit in Bau. Klimatisch 4-5 Grad kühler als Teheran, bietet das Gebiet zugleich eine gute Aussichtslage.
Daraufhin wurde im Jahre 2001 die PTP- Entwicklungsgesellschaft gegründet und eine "Charta PTP" aufgestellt. Im Original liest sich deren Mission etwa folgendermaßen: "Der PTP wird eine intellektuelle Familie sein, deren Mitglieder vor allem wegen ihrer Familien-Kultur bekannt sein werden. Diese Kultur, die unsere kollektive Identität repräsentiert, wird durch unsere gemeinsamen Werte in dieser Charta definiert. Mit Gottes Hilfe können wir diese herausragende Kultur schaffen und werden ihr verpflichtet sein.

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Asre Danesh Afzar, Architekte A. Mozafarie

Die PTP-Entwicklungsgesellschaft erstellt für den Technologiepark die notwendige Infrastruktur, wie Wasser, Strom, Telekommunikation, Abwasser und Straßen. Investoren, deren fachliche Ausrichtung mit den Zielen des Hightech-Parks harmoniert, können die Grundstücke zu günstigen Preisen erwerben, müssen sich jedoch hohen Qualitätsanforderungen unterwerfen.

Qualitätsmerkmale
Mit dem Ziel, junge vielversprechende Architekten und architektonische Qualität zu fördern, wurde 2002 innerhalb des Tousee Kalbodi das "Zentrum für Architekturentwicklung" Roshde Memari gegründet. Der Leiter, Seyed Reza Hashemi, war langjähriger Stellvertreter des Ministers für Wohnen und Städtebau und ist Mitgründer zweier Architekturzeitschriften (Memar und Abadi). Die Initiative wird von den politischen Verantwortlichen unterstützt.



Der PTP wird somit zum Initialprojekt des Roshde Memari und kann mit offizieller Billigung seine Vorbildwirkung entfalten.
Die Käufer der Grundstücke wurden verpflichtet, mit Architekten unter vierzig Jahren zusammenzuarbeiten. Die Auswahl geeigneter Büros erfolgte in einem Bewerbungsverfahren durch die 5-köpfige Jury des Roshde Memari und hat Empfehlungscharakter. Führen die Investoren weitere Architekten ins Rennen, erfolgt eine Begutachtung durch das Roshde Memari.
Die Architekten erarbeiten zunächst einen Vorentwurf, der vom Roshde Memari betreut und gegebenenfalls korrigiert wird. Daraufhin wird der Entwurf überarbeitet und kann anschließend von der Jury eine offizielle Zustimmung erhalten. Dann wird bei der Stadtverwaltung die Baugenehmigung beantragt, welche ohne die Zustimmung des Roshde Memari nicht erteilt wird. Alle vier bis fünf Monate werden Architekten wie auch Auftraggeber für die besten der aktuellen Projekte mit Preisen ausgezeichnet.

 

Seit kurzem sind alle Grundstücke vergeben und beplant. Die Infrastruktur ist mittlerweile weitgehend fertig gestellt, 25 Gebäude befinden sich bereits im Bau.

Entstehender Wettbewerb
Die Vorzüge der Preisträger aus den ersten Zwischenrunden machten bei den Bauherren schnell die Runde und weckten Begehrlichkeiten. Damit die angestrebte Vielfalt weiterhin gewährleistet bleibt, darf jedes Büro nur maximal fünf Aufträge im Gebiet erhalten und davon maximal zwei gleichzeitig bearbeiten. Unter den Architekten entwickelte sich ein Wettbewerb, im Zuge dessen sich die Qualität der Projekte so sehr verbessert hat, dass in der vierten Runde zehn von 15 Projekten prämiert werden konnten.

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Karo Ertebatat, Architekt: Bonsar

Die Bauherren lernten die Hilfestellung des Roshde Memari schätzen. Nicht selten fiel nach der Besprechung des Vorentwurfes die Wahl auf einen anderen Architekten als den bis dahin favorisierten. Kriterien bei der Beurteilung sind vorwiegend städtebauliche, wie Positionierung und Sich-Einfügen in die (zukünftige) Umgebung; der Masterplan macht hierzu konkrete Vorgaben. Ebenso wird auf das Raumprogramm, den Zuschnitt der Nutzungseinheiten, Belichtung etc. geachtet. Um auch die hochwertige Bauqualität sicherzustellen, wurde vor Ort im PTP ein Überwachungszentrum eingerichtet. Ein Bauingenieur, ein Architekt und ein HLS-Ingenieur überwachen den Baubetrieb und stehen als Ansprechpartner zur Verfügung. Auch die beauftragten Baufirmen werden vorab von der Jury des Roshde Memari zugelassen. Bis in absehbare Zeit wird sich der PTP zu einem qualitativ hochwertigen Gewerbegebiet entwickeln - im Iran bislang ein Unikum.

 

Für den PTP wird eine eigene Zeitschrift herausgegeben, die Website (www.techpark.ir) wirbt für den Park mit dem Schlagwort "Iran Silicon Valley".

Weitere Schritte
Die Verantwortlichen sind mit dem Projekt bislang sehr zufrieden, auch wenn unter den Bauherren Stimmen laut wurden, die hochwertigen Architektenleistungen seien zu teuer (der HOAI vergleichbare Regelungen gibt es nicht). Dies konnte das Roshde Memari jedoch als "Missverständnis" ausräumen. Einige der beauftragten Büros erwiesen sich angesichts der Projektgröße als personell überfordert. Zukünftig soll frühzeitig mit den Bauherrn die finanzielle Seite und mit den Büros die Leistungsfähigkeit geklärt, das Vorgehen insgesamt klarer kommuniziert werden.
Der Andrang der Architekten beim Roshde Memari ist mittlerweile enorm, sodass lange nicht alle vielversprechenden Büros zum Zuge kommen.

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Nosa Research, Architekt: R. Aliabadi

Einigen erwuchsen aus der Bewerbung aber Aufträge von größeren Wohnungsbaugesellschaften.

Das "Entwicklungs- und Forschungszentrum" Tousee Kalbodi ist zudem derzeit mit der Entwicklung von 5000 Wohneinheiten in der Stadt Mashad beauftragt sowie mit der Planung eines noch wesentlich größeren Technologieparks in Isfahan. Beide Projekte sollen ebenfalls in der geschilderten Weise durchgeführt werden. Sicherlich sind dies erst zögerliche Ansätze einer bislang unterentwickelten Planungskultur, jedoch wäre auch in Deutschland ein derart gezielter Aufbau von jungen Büros wünschenswert.

Christina Thum, Abbas Shirazi
Die Autoren sind Stadtplanerin und Architekt und leben in Stuttgart.